zu: a taste of 2001
zu: a taste of 2001 (Konzertinstallation)
2001 ist jetzt, aber die Odyssee findet nicht im Weltraum statt, sondern in unserer Wahrnehmung der Gegenwart. Wie fühlt es sich an, in einem Jahr zu leben, das der Mythos einer Zukunftserwartung ist? Der MusikTheaterInstallation a taste of 2001 von Ralf Hoyer und Susanne Stelzenbach liegt der berühmte Film von Stanley Kubrick zugrunde, jedoch in der gleichen nah-fernen Weise, wie die Vision des Films der derzeitigen Wirklichkeit ähnelt… Bilder des Raumschiffs Erde, live vom Satelliten, stehen in Kontrast zur Musik. Die gesungenen Texte sind Fragmente aus naturwissenschaftlichen Essays, die den heutigen Wissensstand reflektieren. (Berliner Morgenpost / November 2001)
Meer der Krisen …Hoyer/Stelzenbach haben eine Art Modell- oder Abschnittstruktur entwickelt, die stilgenau und materialbewußt verschiedenste instrumentale Zuordnungen erlaubt, Duette, Trios, Ensemblesequenzen, auch theatralische Elemente (mimetisches Musizieren ohne Ton) umfassen. Das Kammerensemble Neue Musik Berlin studierte Jürgen Bruns hervorragend ein. Ausdrucksmäßig geistert durch die gesamte Musik eine beklemmende Schicht. Wie sie sich auch verhält, sie spricht, als wäre ihr bange, als wäre sie fiebrig, als wäre sie von Angst durchdrungen… Auch via Internet bezieht die Komposition (Videoebene) Elemente ein, z.B. in Gestalt zweier Weltkugeln, die wie zwei gegeneinandergesetzte Stahlhelme erscheinen. Arthur C. Clarkes Stimme kommt eindrucksvoll zu Gehör. Als alter Mann liest er – exklusiv für die Komposition – aus seiner einstigen Filmvorlage. A Taste of 2001 steht so sehr gegen die Konzerterwartung wie gegen die Fernseherwartung. Ein Kunstwerk, das unbequem ist. Gerade darum wäre ihm weitere Aufführungen zu wünschen. (Junge Welt / 12. November 2001)
Die Zukunft der Gegenwart oder ein Plädoyer für die Langsamkeit … Eine Art musikalische Zeit-, Visions- und Reflexionsmaschine, in der sich die Gegenwart wie in einem Brennglas spiegeln sollte. Oder: eine Odyssee für drei Soprane, Sprecher, acht Instrumente und Klanginstallation, während der auch das Publikum aufstehen, trinken und schlafen durfte…. Eine vordere Projektionsfläche zeigt jüngste NASA-Aufnahmen von Mond und Erde, während auf einer rückwärtigen, kleineren Leinwand ein Kind in Zeitlupe selbstvergessen eine Sandburg baut…In der Mitte des abgedunkelten Kesselhauses stehen sie, paarweise oder allein hinter drehbaren Notenpulten, die Mitglieder der musikalischen Crew… Vokalisen, Bläser- und Streicherklänge verdichten sich zu einer Sphärenmusik; chromatische Höhen über abgründigen Tiefen der Bässe, gewonnen aus der Obertonreihe des Kontra-E. Glissandierte Liegetöne, Echoeffekte, Flageoletts und wandernde Klänge lösen sich mit kurzen, rhythmischen Einwürfen und Signaltönen ab. Daneben ein unermüdlich einsetzendes Rückwärtszählen der Sopranistinnen, ungezählte Final Countdowns in verschiedenen Sprachen. Immer wieder ändern die Musiker, jeder für sich, die Blickrichtung des Spiels. Ihre Augen folgen den digitalen Ziffern einer Videouhr. Einsätze und Taktwechsel entsprechen den „getimeten“ Schnittrhythmen des Films. Auch die integrierte Klanginstallation enthielt deutliche Bezüge zur Space Odyssee: Fünf, in aufsteigender linie in den Raum gehängte Plattenobjekte werden mittels Tieffrequenz-Transformatoren in Schwingungen versetzt, zugleich strahlen sie Geräusche, Töne und undeutliches Stimmengewirr von sich ab. Wie der magische schwarze Stein, dem sie auch formal ähnlich sind, oder wie der sprechende Computer HAL führen sie auch im Stück eine scheinbar autonome Existenz… Womit es den beiden Komponisten gelang, die Rahmenbedingungen für ein erhöhtes Bewusstsein der Gegenwart zu schaffen… die geradezu majestätische Langsamkeit des Films drang als eine fast befremdliche Wahrnehmungsqualität in das musikalische Geschehen ein. Nur an des Rändern der Schnitte blitzte aktuelles Weltgeschehen auf. …daß man am Ende der etwa zweistündigen Odyssee den Geschmack von Zeitlosigkeit, Ruhe und kosmischer Weite mit nach Hause nahm. (Positionen Nr.50 / Beiträge zur Neuen Musik Februar 2002)