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zu: ZEITFENSTER

zu: ZEITFENSTER  für 24 Instrumentalisten, Chor und 9 CD-Player

ein Jugendmusikprojekt in Torgau, Winterthur und Potsdam

Zeitfenster in Potsdam

Potsdamer Neueste Nachrichten 12.2.2008

Die Sinusfunktion in Raum und Zeit Jugendmusik bei den

INNENSTADT – Die neu-tönenden Komponisten Susanne Stelzenbach und Ralf Hoyer führten am Sonntagnachmittag im Treffpunkt Freizeit gemeinsam mit Schülern und Lehrern der Kreismusikschule ‚Engelbert Humperdinck‘ Kleinmachnow in einer aktualisierten Neuauflage ihr Klangprojekt ‚Zeitfenster‘ auf. 24 Instrumentalisten, Chor und neun CD-Player waren die Ausgangsbedingung. Ein ausverkaufter Saal mit hochinteressierten Zuhörern in konzentrierter Erwartung flankierte die letztlich stürmisch gefeierte Aufführung.

Hochaktuell im Jahr der Mathematik, eröffnete der Uni- Mathematiker Hans-Jürgen Schmidt mit einem Kurzvortrag ‚Die Sinusfunktion in Raum, Zeit und Musik‘. So gab es keinen Zweifel zum den praktischen Wert der sonst so abstrakten Wissenschaft, war der Weg für die exakt zeitlich bestimmte Aufführung geebnet. Die Zuhörer waren von den Ausführenden eingekreist, und zu je drei Instrumenten, ein Lehrer, zwei Schüler pro Gruppe begann ein zeitlich sehr genau eingerichtetes Konzert. Elf wiederzuerkennende Bilder wurden in Klänge verwandelt. Über der Bühne hing eine große Leinwand mit Digitaluhranzeige, und die elf Abschnitte wurden dann genauestens nach den Zeitvorgaben gespielt. Sekundentakt, Stadt, Regen, ein chorischer Limerick, Landschaft (mit fast neun Minuten der längste Beitrag), freie Aktion, Sport, Landschaft mit Heinrich Schütz, Sprechaktion und Eigenzeit, so lauteten die programmatischen Vorgaben. ‚Ein jegliches Ding hat seine Zeit‘, diese alttestamentliche Aussage bestimmte das letzte Bild.

Hier kamen kompositorisches Prinzip und Improvisation, konnten sinnliche und rationale Bezüge hergestellt werden, interagierten Flöten, Saxophone, Blechbläser, Schlagwerk, Akkordeons, Violinen, Violoncelli, Klavier und Chor auf das Feinste. Dies war sicher das eingängigste Werk des diesjährigen Intersonanzenfestival, einfach wunderbar! (Von Matthias Müller)

Zeitfenster in Torgau

Neuer Musik wird allzu schnell nachgesagt, daß sie anstrengend, kompliziert und nur für ein sehr spezialisiertes Publikum zugänglich sei. Die Komposition Zeitfenster der beiden Berliner Komponisten Susanne Stelzenbach und Ralf Hoyer, die anläßlich des fünfzigjährigen Bestehens der Musikschule Heinrich Schütz in Torgau in Auftrag gegeben wurde, dürfte dieses Vorurteil von Grund auf widerlegen. Vierundzwanzig Instrumentalisten – Musikschulschüler wie auch ihre Instrumentallehrer, die sich in intensiver Arbeit auf dieses Konzert vorbereitet hatten – Chor und neun CD-Player bestritten das Eröffnungskonzert am 9. Oktober in Torgau und boten dem Publikum ein einmaliges Erlebnis und einen gelungenen Auftakt für die Festwoche. Einen Dirigenten benötigte das Ensemble trotz seiner Größe nicht, denn gespielt wurde nach Uhren, die als Projektionen an den Wänden des Konzertsaales zu sehen waren.

Für dieses außergewöhnliche Konzert benötigten die jungen Instrumentalisten nicht nur ihr eigenes Instrument – die Besetzungsliste reichte von Streichern über Holz- und Blechbläser bis hin zu Tasteninstrumenten und Schlagwerk –, sondern auch ein Meter lange Plastikschläuche, aktuelle Tageszeitungen, Bälle und Lotusflöten, um nur einen kleinen Teil des verwendeten Instrumentariums zu benennen. Die Klangvielfalt, die das Werk dominierte, wurde in elf unterschiedlichen sogenannten »Zeitfenstern« umgesetzt, die verschiedene Situationen des Alltags darstellten wie Regen, Sport oder eine Sprechaktion, in der aus der aktuellen Tageszeitung mal flüsternd, mal hysterisch, schnell, laut und mit hoher Stimme vorgelesen wurde. Diese Aktionen wurden durch den Raumklang in ihrer Intensität unterstützt. Die Komposition Zeitfenster ist so konzipiert, daß die verschiedenen Instrumentalgruppen im Raum verteilt stehen. Als Grundvoraussetzung erfordert die Komposition somit eine gewisse Größe des Raumes, denn das Publikum soll sich zwischen den Instrumentalisten befinden.

In Torgau konnten die zahlreichen Zuhörer nicht nur die sehr gute Akustik des Konzertraums des Johann-Walter-Gymnasiums genießen, sondern sich vor allem durch das engagierte Spiel der Musikschüler beeindrucken lassen. Durch seine zentrale Position im Raum wurde man als Zuhörer gewissermaßen in die Komposition einbezogen. Der Chor sprach und sang auf der Bühne, eben dort spielten die Celli und das Akkordeon; von den Emporen bliesen die Trompeten, Posaunen und Flöten, die, wie die Geigen, auf der oberen Ebene verteilt standen; auf der Ebene des Publikums spielten die Schlagzeuger, Saxophone und Pianisten und als besonderer Teil des Stückes kam eine separate Bewegungsgruppe zum Einsatz, die mit großen Plastikschläuchen den Raum durchquerte und ihr Instrumentarium perkussiv nutzte. Zeitfenster war nicht nur eine spannende Komposition für die Ausführenden, sondern auch für die Zuhörenden. Die große Begeisterung und Resonanz am Ende des Konzerts bewiesen dies nachhaltig.

(Ruth Velten in POSITIONEN Nr.66 / Beiträge zu Neuen Musik Februar 2006)